Das Gesellschaftssystem der Yuan-Dynastie

Das Gesellschaftssystem der Yuan -Dynastie

Kulturelle Vielfalt


Bereits vor der Etablierung der Yuan-Dynastie stand China in engem Kontakt mit seinen Nachbarländern und wurde durch diese beeinflusst. Zur Zeit der Yuan-Dynastie kam es zur Fremdherrschaft der Mongolen über China. Das mongolische Volk lernte durch seine Expansionspolitik im Allgemeinen fremde Hochkulturen kennen und schätzen. Mit der Eroberung fremder Gebiete integrierten sie eroberte Bürokraten in die Verwaltung des Staates. Das Staatssystem der Yuan-Dynastie profitierte von dem Wissen dieser fremden Experten, welche als Vermittler zwischen der mongolischen und der chinesischen Gesellschaft eingesetzt wurden.  

Mit der Eroberung durch die Mongolen 1271 wurde die chinesische Gesellschaft Teil des mongolischen Weltreiches, welches sich vom Pazifik bis zur Ostsee erstreckte. Sie wurden in ein Netzwerk aus Beziehungen und ethnischer Vielfalt integriert. Dadurch,  dass China nicht im Zentrum des mongolischen Weltreiches lag, verschoben sich die Perspektiven: Die Beziehungen Chinas mit Zentralasien unter mongolischer Herrschaft müssen als Teil des mongolischen „Netzwerkes“ gesehen werden.

Die Gründe für diesen Kosmopolitismus waren vielfältig. Das mongolische Reich war das größte bekannte Weltreich, dessen inhärente ethnische und kulturelle Vielfalt sich auf die politische und verwaltungstechnische Struktur ausgewirkt haben. Dadurch dass das mongolische Herrschaftssystem traditionell eine Militäraristokratie darstellte und sich ihre Herrscher in besonderem Maße durch persönliches Charisma legitimierten, fehlte es ihr an institutioneller Basis. Dies bedingte einen weiteren Grund für den Kosmopolitismus der Mongolen. Sie machte sich die Kenntnisse hoch entwickelter Kulturen, welche sie eroberten, zunutze, was ihnen politische Überlegenheit ermöglichte. Mit der Herrschaft über China, profitierten die Mongolen in besonderem Maße von ihren Beziehungen zu Gebieten wie Turkestan und der türkischen Kultur, sowie der iranisch-tadschikischen Kultur Südturkestans und des Iran. In Bezug auf die gegenseitige Beeinflussung dieser Kulturen aufeinander kann man von einem synergistischem System sprechen. 

Die ethnische kulturelle Vielfalt der Mongolen des Yuan-Reiches wird besonders deutlich betrachtet man ihre  religiöse Toleranz. Den Untertanen wurde es auf diese Weise nach Eroberungen ermöglicht ihre Religion beizubehalten. Die religiöse Toleranz hatte positiven Einfluss auf die Gesellschaft des Yuan-Reiches, da ihre ethnische Vielfalt  viele unterschiedliche Religionen implizierte. Die Mongolen, denen ihre autochthone Glaubensvorstellung und Naturreligion sehr wichtig war, blieben dieser treu, förderten jedoch auch andere Religionen. Unter Kubilai Khan gewann der buddhistische Lamaismus an besonderer Bedeutung. Er nutzte diesen für die Legitimation seiner Herrschaft. Aufgrund seiner Verbindung mit dem buddhistischen 'Phags-pa Lama in Form der yon mchod-Beziehung (Gabenherr – Objekt der Verehrung), wurde Kubilai Khan als Verkörperung eines Cakravartin-Königs (Universalherrscher) betrachtet. Mit der Verkörperung eines Cakravartin-Weltherrschers nimmt Kubilai eine Position ein, welche wesentlich von der der chinesischen Kaiser abweicht. Das religiöse Werk 'Phags-pas, shes-bgha rab-gsal (Was man ganz genau wissen sollte), belegt Kubilai Khans Abstammungslinie über Chinggis Khan auf den Cakravartin-Weltherrscher, was seine Herrschaft über die chinesischen Untertanen legitimierte. Er verkörperte somit nicht nur einen weltlichen Herrscher, sondern einen von universellem, sakralem Charakter. Als Cakravartin-Herrscher verspricht Kubilai Khan zudem weltliche Harmonie.

Kulturvermittler der Yuan-Dynastie
Da die Mongolen im Allgemeinen ihrer ursprünglichen Kultur treu blieben und auch die chinesischen Untertanen wenig Interesse zeigten, sich der mongolischen Kultur anzupassen, entstand ein Interessenskonflikt. Nach chinesischer Vorstellung müsse sich Kubilai ihrer Tradition anpassen und sich integrieren. Dies hätte für die Mongolen jedoch einen Verlust ihrer eigenen Kultur, und somit Identität, bedeutet. Für sie als Herrscher war dies nicht in Betracht zu ziehen. Aus diesem Grund waren Vermittler zwischen der mongolischen und der chinesischen Bevölkerung von besonderer Wichtigkeit.

Hier machten sich die mongolischen Herrscher den Kosmopolitismus ihres Großreiches zunutze, und entwickelten multinationale Kader. Diese waren für ihre synkretistische Gesellschaft im Gebiet Chinas natürlich, und zusätzlich für eine erfolgsversprechende Verwaltung notwendig. Die Kader dienten ebenfalls dazu, das grundsätzliche Misstrauen, welches den Mongolen durch ihre chinesischen Untertanen entgegengebracht wurde, zu zerstreuen. Diese Vermittler zwischen den Kulturen stellten, wie die Mongolen selber, eine Minderheit in der Bevölkerung dar. Sie waren jedoch dafür berühmt, Zugang zur chinesischen Sprache, Schrift und Literatur zu finden, und bei den einheimischen Literaten Anerkennung zu erlangen. 

Die Einteilung der Gesellschaft


Den Mongolen in China war bewusst, dass sie demographisch eine verschwindende Minderheit bildeten. Zur Schaffung dauerhafter politischer Einheit und zur Fortsetzung ihrer Expansion mussten die Mongolen die schon unterworfenen Völker zuerst in ein spezielles Gesellschaftssystem integrieren. Aus diesem Grund wurde 1252 eine Reformpolitik verwirklicht, welche sich an der Denkschrift des Liu Bingzhong 刘秉忠 orientierte, einem ehemaligen Mönch der buddhistischen chan-Sekte. 

Um die Gesellschaft seines Reiches zu strukturieren, klassifizierte Kubilai Khan die Bevölkerung streng hierarchisch zunächst in 3, dann in 4 Stufen. Auf diese Weise gelang es Kubilai Khan mit Hilfe chinesischer Berater eine Dynastie zu bilden, dessen System es ermöglichte die kulturellen Unterschiede in der Bevölkerung zu überbrücken. Dies galt insbesondere für die chinesische, hochzivilisierte Mehrheit und die geringe Anzahl an mongolischer Herrscherschicht. In der Systematik dieser Klassifizierung berücksichtigten die mongolischen Herrscher die Länge der Integration in das mongolische Reich. Durch die Rangordnung bedingt, beeinflusste dieses System das gesamte gesellschaftliche Leben und hatte unter anderem Auswirkungen auf verwaltungstechnische, gerichtliche und steuerliche Angelegenheiten. Zwischen den Rängen herrschte eine strenge Unterteilung, was Ehen zwischen den Gruppen ausschloss. Das neue gesellschaftliche Rangsystem führte weiterhin zur Infragestellung des traditionellen chinesischen Gesellschaftssystems.

Das Gesellschaftssystem sollte nicht als ein System von »4 Klassen« betrachtet werden, da sich die Ränge durch rechtliche und institutionelle Aspekte voneinander unterschieden, jedoch keinen wirtschaftlichen Status oder soziale Macht implizierten. Insbesondere mit Blick auf die südchinesische Bevölkerung wird dies deutlich, da sich ihre sozialen Verhältnisse untereinander, auch nach der Eroberung der mongolischen Fremdherrscher, und mit der Integration in das Rängesystem kaum veränderten.

Über die verschiedenen ethnischen Gemeinschaften, welche die Mongolen im Yuan-Reich unterschieden, berichtet die 1366 von Tao Zongyi 陶宗儀 (ca. 1320-1401) zusammengestellte Sammlung chuogeng-lu (輟耕錄 Aufzeichnungen nach dem Umpflügen).

Der gesellschaftliche Rang der Mongolen
Nach dem chuogeng-lu zählten zur obersten Gesellschaftsgruppe die mongolischen Herrscher und ihr Volk selber, von denen 72 unterschiedliche Gruppen aufgezählt werden. Innerhalb dieser Stammesgruppen unterschied man zusätzlich zwischen Militäraristokratie und einfachem Volk. Sie waren das bevorrechtigte Staatsvolk, machten jedoch im Yuan-Reich höchstens 1,5% der Gesamtbevölkerung aus. Die Zusammenfassung dieser mongolischen Elitenbevölkerung unter der Bezeichnung „Rang der Mongolen“ tendiert dazu, das Bild einer innerlich kohärenten Gruppe zu suggerieren. Jedoch implizierte diese Gesellschaftsgruppe ebenfalls soziale Unterschiede. 

Der gesellschaftliche Rang der semuren
Den zweiten gesellschaftlichen Rang bildeten die semuren色目人. Diese Gesellschaftsgruppe implizierte die zentral- und vorderasiatischen Vasallen der Mongolen. Diese waren insbesondere die Hochkulturen der Türken (u.a. Uiguren, Kharluken, Naimanen, Tuvas), Tibeter, Tanguten, Russen, Perser und Syrer. Gernet definiert die persische Bevölkerung explizit als iranische Kaufleute aus dem Amu-darja-Becken, welche unter dem Namen Sarten bekannt sind. Die semuren zeichneten sich dadurch aus, dass sie weder mongolisch, noch chinesisch, noch sinisiert waren. Diese Bevölkerungsschicht bildete 31 Untergruppen. Diese war in den meisten Fällen muslimisch geprägt und den mongolischen Herrschern treuer ergeben als die chinesischen Untertanen. Dies brachte ihnen eine Sonderposition innerhalb des chinesischen Staatssystems ein. Betrachtet man die Bevölkerungszahl der semuren, ist festzustellen, dass diese, ähnlich wie die Bevölkerungszahl der Mongolen sehr gering ist (1,5%) im Vergleich zur überwältigenden Mehrheit der Chinesen. Auf näheres bezüglich dieser Gesellschaftsgruppe werde ich im Laufe meiner Ausarbeitung eingehen.

Der gesellschaftliche Rang der hanren
Die dritte Bevölkerungsstufe umfasste 8 Gruppen von Bewohnern Nordchinas und wird als gesellschaftlicher Rang der hanren 汉人 (Han-Leute) zusammengefasst. In diese Gruppe sind alle Chinesen des ehemaligen Jin 金-Reiches, sowie alle sinisierten Nordostasiaten wie beispielsweise Khitan, Jurchen und Koreaner integriert. Die hanren machten 14% der Gesamtbevölkerung des Yuan-Reiches aus.

Der gesellschaftliche Rang der nanren
Der gesellschaftliche Rang der nanren 南人 (Südmenschen) war in der Rangordnung der chinesischen Gesellschaft am niedrigsten angesiedelt und wurde erst im Jahr 1275, nach der Eroberung der südlichen Song 南宋-Dynastie, hinzugefügt. Diese Gesellschaftsgruppe fasste die xin furen 新夫人(neu angeschlossene Leute). Weitere Bezeichnungen dieses gesellschaftlichen Ranges waren nanzi 南子(Südlinge) oder manzi 蛮子(Wilde). Mit mehr als 80% machten sie den größten Teil der Gesamtbevölkerung des Yuan-Reiches aus. Ihr niedriger Status implizierte, dass es ihnen in den meisten Fällen verwehrt war, ein hohes Amt zu bestreiten. Nachteile machten sich auch in Form der Steuerzahlungen deutlich, da Südchinesen diese im Verhältnis zu ihrem Landbesitz zu zahlen hatten. Nordchinesen wurden hingegen pro Haushalt besteuert.

Undurchlässigkeit zwischen den Gesellschaften
Spezifische, für die chinesische Bevölkerung unbekannte, verwaltungstechnische Einrichtungen der Mongolen, wie beispielsweise die Garnisonen, verdeutlichen fortlaufend, den fremden Charakter dieser Dynastie. In vielen Regionen nahmen die Garnisonen eine wichtige Funktion ein, unter anderem in Bezug auf die Verständigung zwischen Chinesen und Mongolen, wodurch die soziale Untergliederung in die vier verschiedenen Gesellschaftsränge nicht allzu drastisch empfunden wurde. Vor allem im Süden, wo die Stellung hohe Verwaltungsposition von darughachi (Staatsbeauftragten) auch auf Chinesen übertragen werden konnte, war die Undurchlässigkeit zwischen den Stufen der Bevölkerung geringer.

Rangordnung auf Grundlage von Berufen
Aus der Quelle des tiehan xinshi 铁函心史 geht hervor, dass zusätzlich zu den gesellschaftlichen Rängen nach Berufen differenziert wurde. Dies betont die Bedeutung der semuren, welche, meist als Beamte und Verwaltungsangestellte, die höchsten Positionen der sozialen Hierarchie besetzten. Aus dieser Rangordnung geht ebenfalls die Umkehrung der traditionell konfuzianischen Gesellschaftsordnung hervor, und impliziert die niedrige Position von konfuzianischen Gelehrten. Ihnen untergeordnet waren lediglich Prostituierte, Bettler und Sklaven. Die ungleiche Rechtsstellung der Bevölkerungsklassen dokumentieren sehr anschaulich die Gesetze, Verordnungen und Rechtsfälle von juristischen Kompilationen wie den yuan dian-zhang 元典章.

Die semuren


Der Begriff semuren
Der gesellschaftliche Rang der semuren stand in der Hierarchie direkt unter den mongolischen Herrschern. Der Begriff »semuren« wird von vielen Historikern unterschiedlich gedeutet und übersetzt. Einige übersetzen den Begriff als »Leute mit farbigen Augen«, wodurch sich diese Bezeichnung ausschließlich auf den physischen Aspekt dieser Bevölkerungsgruppe bezieht. Die Bezeichnung »semuren« wird jedoch ebenfalls als »Personen mit Spezialstatus« gedeutet. In diesem Fall drückt der Begriff keine physische Beschreibung aus, sondern ist von verwaltungstechnischem Charakter, welcher sich auf die verschiedenen Bevölkerungskategorien bezieht. Gelegentlich werden die semuren auch mit dem Ausdruck »verschiedene Ausländer« gleichgesetzt. Zahlenmäßig waren die Uighuren unter den semuren am stärksten vertreten. Es lässt sich feststellen, dass der Begriff »semuren« eine kollektive Bezeichnung der zentralasiatischen, westasiatischen und europäischen Nationen während der Yuan-Dynastie war. Diese hatten sich teils freiwillig den Mongolen als Vasallen angeschlossen, waren zum anderen Teil jedoch auch Unterworfene. Den semuren wurden Privilegien gewährt, welche der chinesischen Bevölkerung der han und nanren verweigert wurden. Sie besaßen allerdings weniger Privilegien als die mongolische Bevölkerung. Aufgrund dieser Tatsache spricht man von den semuren auch als »Untertanen« der Mongolen und »Meister« über die chinesische Bevölkerung. Zu den Privilegien zählten unter anderem die Befreiung von der regulären Besteuerung.

Die Funktionen der semuren
Funktionen in der Verwaltung
Kubilai Khan setzte die semuren häufig als Zivilbeamte ein, welche in seinem Interesse Mittlerpositionen erfüllten. Aufgrund ihrer hohen Bildung waren die semuren oft auch als Steuereintreiber, Finanzverwalter, Hofastronomen, Ingenieure, Kartographen, Architekten, Zollbeamte, Ärzte, Zwischenhändler oder shiboshi 市博士(Handelskommissare in den Küstenstädten) tätig. Als Handelskommisare überwachten sie die Regierungsmonopole auf Salz, Eisen, Tee, Schnaps und Bambus. Semuren wurden ebenfalls eingesetzt, um den Außenhandel zu überwachen, unter anderem wegen ihrer sprachlichen Fähigkeiten. Viele unter ihnen waren Händler welche mit den mongolischen Fürsten zusammen arbeiteten. Die Bevölkerungsgruppe der semuren konnte überdies, aufgrund ihrer Ergebenheit den mongolischen Herrschern gegenüber, das Amt des darugha (Provinzkommandant; pl. darughachi) bekleiden. Dies war ein Amt, welches den Chinesen theoretisch verweigert wurde. Als darughachi fungierten die Beamten vor allem als zivile Verwalter, während sie in militärischen Positionen theoretisch keine höchsten Posten besetzten. Ihre militärischen Kenntnisse wurden benötigt, jedoch wurde ihnen als nicht-mongolischer Bevölkerung anscheinend kein vollständiges Vertrauen entgegengebracht. Anzunehmen ist des Weiteren, dass die mongolischen Herrscher gezielt semuren in wichtige Ämter hebten, um die Verärgerung der chinesischen Bevölkerung über die fremden Herrscher nicht ausschließlich auf sich selbst beziehen zu müssen.

Unter den muslimischen semuren existierten einige bedeutende Persönlichkeiten, die die mongolischen Herrscher besonders beeindruckt hatten. Unter ihnen ist Saiyid Adschall zu nennen, welcher unter anderem als Gouverneur von Yunnan fungierte. Das besondere Vertrauen, welches Kubilai nicht nur Saiyid Adschall sondern auch in dessen Sohn besaß, zeigt sich in der Tatsache, dass dieser, Nāṣir-al-Dīn, 1277 als Anführer einer Militärkampagne gegen Birma eingesetzt wurde. Dass Muslime auch nach dem Untergang der Yuan-Dynastie noch starke Bedeutung für das chinesische Reich besaßen, zeigt sich an einem Enkel Saiyid Adschalls, welcher unter dem Namen Zheng He 郑和 im 15. Jahrhundert als Seefahrer der Ming 明-Dynastie weltberühmt wurde.

Unter den semuren kam es zu Zusammenschlüssen von gildenähnlichem Charakter, den aus dem türkisch-persischen adaptierten ortoq (Partner)-Systemen, welche der Finanzierung von Bank- und Geschäftsunternehmen dienten. Insbesondere profitierte der Karawanenhandel von ihnen. Die ortoq übten, gestützt von der mongolischen Gesellschafts-gruppe, auch in der Finanzverwaltung wichtige Funktionen aus. Durch diese Finanzverwalter werden spezifische Probleme der Yuan-Verwaltung deutlich, da diese Beamten auf die Steigerung der Einnahmen spezialisiert waren und diesbezüglich oft rücksichtslos handelten.

Das yin-Privileg
Betrachtet man die oberen Regierungspositionen, so wird die soziale Ungleichheit innerhalb des Yuan-Reiches besonders deutlich. Begründet war dies durch ein spezielles System, nach welchem offene Stellen in der Regierung vornehmlich besetzt wurden. Hier grenzten sich die Mongolen von der allgemein üblichen chinesischen Tradition ab, nach welcher offene Stellen beispielsweise durch erfolgreiche Kandidaten der Beamtenprüfungen besetzt wurden. Selbst als diese jinshi 进士-Prüfungen für den öffentlichen Dienst 1315 wieder eingeführt wurden, begünstigten die Bestimmungen für die Durchführung der Prüfungen und die durch Prüfungserfolg erzielten Stellen die nicht-chinesischen Kandidaten. Im Verlauf der Prüfungen wurden nach der Herkunft der Kandidatenbestimmte Kontingente vorgesehen. Nach dieser Quotenregelung waren von insgesamt 300 Nominierungen ein Viertel Mongolen vorbehalten, ein Viertel den semuren, ein Viertel den hanren und der Viertel der, höher gebildeten, Südchinesen. Somit konnten die Mongolen und semuren von dieser Regelung nur profitieren.

Die mongolischen Herrscher etablierten in China ein System des ererbten Präferenzprinzips, dem yin-Privileg. Da die Mongolen geschlossene soziale Klassen bevorzugten, passte dieses System zu ihrem Konzept, wie sozialer Status und Privilegien verliehen werden sollten. Das System wurde auf alle betroffenen Völker ausgedehnt. Interessanterweise war das yin-System eine alte chinesische Institution. Dieses fand jedoch neben dem chinesisch-konfuzianischen Ideal des individuellen Verdienstes durch die jinshi-Prüfungen keinen Zuspruch.

Zu Beginn der Yuan-Dynastie waren eine große Anzahl der bevorzugten Mongolen und semuren Analphabeten, in jedem Fall in Bezug auf die chinesische Sprache. Während des 13. Jahrhunderts unterhielten und kommunizierten die semuren wahrscheinlich hauptsächlich auf Türkisch (insbesondere Uigurisch) und Persisch. Dies änderte sich jedoch im Verlauf der Dynastie. Durch ihre Vermittlerfunktion war diese Bevölkerungsgruppe besonders anfällig für kulturelle Assimilation. Wie bereits zuvor angedeutet, kann man nachvollziehen, dass sich die semuren stets ihrer Umwelt anpassten. Auf Chinesisch unterrichtet zu werden, wurde die Regel unter ihnen, besonders nach der Zeit von Kubilai Khan. Im Gegensatz dazu, zeigten die Mongolen bis zum Ende ihrer Dynastie nur die ersten Anzeichen einer ähnlichen kulturellen Anpassung.

Bis zum Ende der Dynastie bestand die obere Ebene der Beamten des Zentralsekretariats aus Mongolen und semuren. Chinesen tauchten gelegentlich in der zweiten Ebene auf, dominierten jedoch nur in den mittleren und unteren Reihen. Die meisten obersten und stellvertretenden Ratsmitglieder in den Zweigsekretariaten der Provinzen waren Mongolen oder semuren. Während der gesamten Yuan-Zeit wurden Chinesen von bedeutenden Ämtern in der Militärverwaltung, ausgeschlossen. In Ämtern innerhalb des Zensorat und den Überwachungs- und Ermittlungsbehörden tauchten in der Praxis gelegentlich Chinesen auf.

Das Verwaltungssystem der Yuan-Dynastie


Mit der Eroberung des chinesischen Gebietes waren die Mongolen mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert. Innerhalb des chinesischen Gebietes existierte bereits ein etabliertes, funktionierendes Gesellschafts- und Verwaltungssystem, welches für die Mongolen einen unbekannten Gegner in Bezug auf eine langfristige Kontrolle über da s chinesische Gebiet und seine Bevölkerung darstellte. Erschwert wurde diese Tatsache, durch die starke Bevölkerungsdichte der Chinesen, insbesondere mit der Eroberung der Südlichen Song-Dynastie. Kubilai Khan war sich darüber bewusst, dass die hochentwickelte, zivilisierte chinesische Gesellschaft nicht allein durch mongolisches Staatswesen zu kontrollieren war. Beraten wurde er in dieser Hinsicht von Yelü Chucai 耶律楚材 (-1243) und Liu Bingzhong. Die Mongolen im Allgemeinen gliederten neue Territorien nur langsam ein, indem sie erst einmal eine Militärregierung einrichteten und erst später die Kontrolle der Zivilverwaltung zurückgaben. 

Kubilai Khan war es ein Anliegen, seine Herrschaftslegitimität auch für die Chinesen zu beweisen. Er wollte beweisen, dass er die traditionellen chinesischen Ideale achtete. Deutlich wird dies durch die Tatsache, dass er seiner Dynastie den chinesischen Namen »Yuan« (Uranfang) vermachte. Seit 1272 verlegte Kubilai Khan alle zentralen Behörden in das neu ausgebaute Dadu (大度 Große Hauptstadt). Die Stadt ist auch bekannt unter dem türkischen Namen Khanbalyq (Herrscherstadt). Im Unterschied zu den vorherigen Fremdherrschern über das chinesische Gebiet, hatten die Mongolen unter Kubilai Khan auf diese Weise ihre Hauptstadt nach China verlegt und sowohl ihre mongolische Heimat, als auch das größte mongolische Reich ohne ein großes Verwaltungszentrum in der Steppe verlassen.

Dieses System der Wertschätzung des eroberten chinesischen Gebietes, war der gebildeten Elite Chinas viel wichtiger als die ethnische Herkunft der Eroberer. Kubilai Khan ließ die chinesischen verwaltungstechnischen Institutionen weitgehend unangetastet, schuf allerdings besondere Einrichtungen für die spezifischen Bedürfnisse der Mongolen. So schuf er ein Zentralsekretariat, nach dem Vorbild der im Jin-Reich modifizierten chinesischen Verwaltung, und ein Zensorat. Beides suggerierte, dass die Interessen des Kaisers ausgeführt wurden. Ein besonderes Merkmal der Yuan-Dynastie war die Einteilung des Reiches in Provinzen als Verwaltungsgebiete, welche eigenen Sekretariaten unterstanden. Zum Verständnis dieser Art von Verwaltung setzte Kubilai vorder- und zentralasiatische Experten ein. 

Verwaltung durch »duale Herrschaft«
Das mongolische Reich war in der Weltgeschichte einzigartig in dem Maße, in dem es ein wirklich multinationales Korps von Offizieren und Beamten für die Verwaltung des gesamten Reiches und seiner verschiedenen regionalen Komponenten einsetzte. Die Zivilgouverneure der Verwaltungsbezirke waren entweder Mongolen oder semuren, und der stellvertretende Gouverneur war im Allgemeinen ein Mohammedaner. Diejenigen, die den Posten eines Militärgouverneurs innehatten, waren ausschließlich von mongolischer Nationalität. Die Abhängigkeit von der Nationalität in Bezug auf diese beiden Beamtenposten, wird durch die Veränderung der Position eines Beamten namens Isimaili (Ismā'īl) verdeutlicht. Dieser hatte unter der Herrschaft der Khitan das Amt eines bāsqāq (Militär-Kommandant) inne, in dem Moment wo er sich jedoch den Mongolen anschloss, wurde er zum darugha (Zivilgouverneur) in China ernannt. Eine Ausnahme bildet der bereits erwähnte Sohn Saiyid Adschalls, Nāṣir-al-Dīn, dem es gelang eine leitende Funktion im Militär zu übernehmen.

Die doppelte Besetzung von Regierungsbüros auf allen Ebenen führte zur Entstehung eines charakteristischen Phänomens der Yuan-Dynastie. Im Zuge der doppelten Besetzung wurde ein Amt gleichzeitig durch einen chinesischen, verantwortlichen Amtsträger und einen Mitinhaber des Amtes (darugha), zumeist ein semuren besetzt. Das duale Verwaltungssystem als reichsweite Institution ermöglichte es den Mongolen, eine übermäßige Abhängigkeit ihrer lokalen Verwaltung von Eingeborenen zu vermeiden, deren regionale Beziehungen im Widerspruch zum Dienst imperialer und mongolischer Interessen stehen könnten. 

Die darughachi zeichneten sich insbesondere dadurch aus, dass sie schriftkundig und mehrsprachig waren. Zudem besaßen sie bereits Erfahrung entweder als Kaufleute im transregionalen Fernhandel oder in der Verwaltung früherer nomadischer Reiche wie der Khitan oder der Uighuren. Über die Expertise dieser Bevölkerungsgruppe wird bereits im Zusammenhang mit Chinggis Khan berichtet. Hatte ein Chinese, insbesondere im Süden des Reiches, die gleichen Qualitäten wie ein semuren oder Mongole, so konnte er ebenfalls das Amt des darugha übernehmen. Dies war jedoch nicht die Regel.

Eine wichtige Position nahmen sie als Zivilverwalter einer Provinz ein. In diesem Fall wurde ein darugha auf einen Posten fern seiner Heimat berufen, so dass die Gefahr eines Bündnisses mit der Bevölkerung vor Ort gering war. Auf diese Weise wurde die Wahrung der Macht der Mongolen garantiert. Die Aufgabe der darughachi bestand darin, die Regierungshandlungen zu überwachen und zu genehmigen. Ihre Macht lag über der des lokalen Gouverneurs. Die darughachi führten ihre Aufgaben meist nicht autoritär aus, sondern präferierten das Abhalten von Versammlungen um im Konsens zu einem Entschluss zu kommen.

Konfliktpotenzial der »dualen Verwaltung«
Es gab eine ungelöste Unvereinbarkeit zwischen der militärischen Machtstruktur, die direkt den mongolischen imperialen Interessen diente, und den allmählich stärker etablierten chinesischen Formen der Zivilregierung. Jedoch drückten nur wenige Chinesen ihre Zweifel bezüglich der rechtmäßigen Herrschaftslegitimation der Mongolen aus. Der Großteil der chinesischen Elite agierte im Sinne konfuzianischer, verbindlicher Verhaltensnormen und waren dem Herrscher und der Dynastie gegenüber loyal. Eine wesentliche Ursache dafür lag in der Schnelligkeit, mit der die Mongolen unter dem Einfluss von Männern wie dem konfuzianischen Gelehrten Yelü Chucai und der chinesischen Berater gelernt hatten, sich auf die chinesischen Verhältnisse einzustellen. Zusätzlich dazu trugen der Güteraustausch mit Zentral- und Vorderasien, sowie die bereits angedeutete religiöse Toleranz der Mongolen zur Stabilität des Yuan-Reiches im Inneren bei. 

Im Verlauf der Yuan-Dynastie erforderte es die Verwaltung, sich immer mehr den Bedürfnissen der chinesischen Bevölkerung anzupassen. Dies führte 1328 zur Konfuzianisierung der Regierungspolitik. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung 1368 mit der Flucht der Regierung aus Peking nach Norden.
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