Den Mongolen in China war bewusst, dass sie demographisch eine verschwindende Minderheit
bildeten. Zur Schaffung dauerhafter politischer Einheit und zur Fortsetzung ihrer Expansion mussten die Mongolen die schon unterworfenen Völker zuerst in ein spezielles Gesellschaftssystem integrieren. Aus diesem Grund wurde 1252 eine Reformpolitik verwirklicht, welche sich an der Denkschrift des Liu Bingzhong 刘秉忠 orientierte, einem ehemaligen Mönch der buddhistischen chan-Sekte.
Um die Gesellschaft seines Reiches zu strukturieren, klassifizierte
Kubilai Khan die Bevölkerung streng hierarchisch zunächst in 3, dann in 4 Stufen. Auf diese Weise gelang es Kubilai Khan mit Hilfe chinesischer Berater eine Dynastie zu bilden, dessen System es ermöglichte die kulturellen Unterschiede in der Bevölkerung zu überbrücken. Dies galt insbesondere für die chinesische, hochzivilisierte Mehrheit und die geringe Anzahl an mongolischer Herrscherschicht. In der Systematik dieser Klassifizierung berücksichtigten die mongolischen Herrscher die Länge der Integration in das mongolische Reich. Durch die Rangordnung bedingt, beeinflusste dieses System das gesamte gesellschaftliche Leben und hatte unter anderem Auswirkungen
auf verwaltungstechnische, gerichtliche und steuerliche Angelegenheiten. Zwischen den Rängen herrschte eine strenge Unterteilung, was Ehen zwischen den Gruppen ausschloss. Das neue gesellschaftliche Rangsystem führte weiterhin zur Infragestellung des traditionellen chinesischen Gesellschaftssystems.
Das Gesellschaftssystem sollte nicht als ein System von »4 Klassen« betrachtet werden, da sich die Ränge durch rechtliche und institutionelle Aspekte
voneinander unterschieden, jedoch keinen wirtschaftlichen Status oder soziale Macht implizierten. Insbesondere mit Blick auf die südchinesische Bevölkerung wird dies deutlich, da sich ihre sozialen Verhältnisse untereinander, auch nach der Eroberung der mongolischen Fremdherrscher, und mit der Integration in das Rängesystem kaum veränderten.
Über die verschiedenen ethnischen Gemeinschaften, welche die Mongolen im Yuan-Reich unterschieden, berichtet die 1366 von Tao Zongyi 陶宗儀 (ca. 1320-1401) zusammengestellte Sammlung chuogeng-lu
(輟耕錄 Aufzeichnungen nach dem Umpflügen).
Der gesellschaftliche Rang der Mongolen
Nach dem chuogeng-lu
zählten zur obersten Gesellschaftsgruppe
die mongolischen Herrscher und ihr Volk selber, von denen 72 unterschiedliche Gruppen aufgezählt werden. Innerhalb dieser Stammesgruppen unterschied man zusätzlich zwischen Militäraristokratie und einfachem Volk. Sie waren das bevorrechtigte Staatsvolk, machten jedoch im Yuan-Reich höchstens 1,5% der Gesamtbevölkerung
aus. Die Zusammenfassung dieser mongolischen Elitenbevölkerung unter der Bezeichnung „Rang der Mongolen“ tendiert dazu, das Bild einer innerlich kohärenten Gruppe zu suggerieren. Jedoch implizierte diese Gesellschaftsgruppe ebenfalls soziale Unterschiede.
Der gesellschaftliche Rang der semuren
Den zweiten gesellschaftlichen Rang bildeten die semuren色目人. Diese Gesellschaftsgruppe implizierte die zentral- und vorderasiatischen Vasallen
der Mongolen. Diese waren insbesondere die Hochkulturen der Türken (u.a. Uiguren, Kharluken, Naimanen, Tuvas), Tibeter, Tanguten, Russen, Perser und Syrer. Gernet definiert die persische Bevölkerung explizit als iranische Kaufleute aus dem Amu-darja-Becken, welche unter dem Namen Sarten bekannt sind. Die semuren zeichneten sich dadurch aus, dass sie weder mongolisch, noch chinesisch, noch sinisiert
waren. Diese Bevölkerungsschicht bildete 31 Untergruppen. Diese war in den meisten Fällen muslimisch geprägt und den mongolischen Herrschern treuer ergeben als die chinesischen Untertanen. Dies brachte ihnen eine Sonderposition innerhalb des chinesischen Staatssystems ein. Betrachtet man die Bevölkerungszahl der semuren, ist festzustellen, dass diese, ähnlich wie die Bevölkerungszahl der Mongolen sehr gering ist (1,5%)
im Vergleich zur überwältigenden Mehrheit der Chinesen. Auf näheres bezüglich dieser Gesellschaftsgruppe werde ich im Laufe meiner Ausarbeitung eingehen.
Der gesellschaftliche Rang der hanren
Die dritte Bevölkerungsstufe
umfasste 8 Gruppen von Bewohnern Nordchinas und wird als gesellschaftlicher Rang der hanren
汉人 (Han-Leute) zusammengefasst. In diese Gruppe sind alle Chinesen des ehemaligen Jin 金-Reiches, sowie alle sinisierten Nordostasiaten
wie beispielsweise Khitan, Jurchen und Koreaner integriert. Die hanren
machten 14% der Gesamtbevölkerung des Yuan-Reiches aus.
Der gesellschaftliche Rang der nanren
Der gesellschaftliche Rang der nanren
南人 (Südmenschen) war in der Rangordnung der chinesischen Gesellschaft am niedrigsten angesiedelt und wurde erst im Jahr 1275, nach der Eroberung der südlichen Song 南宋-Dynastie, hinzugefügt. Diese Gesellschaftsgruppe fasste die xin furen
新夫人(neu angeschlossene Leute). Weitere Bezeichnungen dieses gesellschaftlichen Ranges waren nanzi
南子(Südlinge) oder manzi
蛮子(Wilde). Mit mehr als 80%
machten sie den größten Teil der Gesamtbevölkerung des Yuan-Reiches aus. Ihr niedriger Status implizierte, dass es ihnen in den meisten Fällen verwehrt war, ein hohes Amt zu bestreiten. Nachteile machten sich auch in Form der Steuerzahlungen deutlich, da Südchinesen diese im Verhältnis zu ihrem Landbesitz zu zahlen hatten. Nordchinesen wurden hingegen pro Haushalt besteuert.
Undurchlässigkeit zwischen den Gesellschaften
Spezifische, für die chinesische Bevölkerung unbekannte, verwaltungstechnische Einrichtungen der Mongolen, wie beispielsweise die Garnisonen, verdeutlichen fortlaufend, den fremden Charakter dieser Dynastie. In vielen Regionen nahmen die Garnisonen eine wichtige Funktion ein, unter anderem in Bezug auf die Verständigung
zwischen Chinesen und Mongolen, wodurch die soziale Untergliederung in die vier verschiedenen Gesellschaftsränge nicht allzu drastisch empfunden wurde. Vor allem im Süden, wo die Stellung hohe Verwaltungsposition von darughachi
(Staatsbeauftragten) auch auf Chinesen übertragen werden konnte, war die Undurchlässigkeit
zwischen den Stufen der Bevölkerung geringer.
Rangordnung auf Grundlage von Berufen
Aus der Quelle des tiehan xinshi 铁函心史 geht hervor, dass zusätzlich zu den gesellschaftlichen Rängen nach Berufen differenziert wurde. Dies betont die Bedeutung der semuren, welche, meist als Beamte und Verwaltungsangestellte, die höchsten Positionen der sozialen Hierarchie besetzten. Aus dieser Rangordnung geht ebenfalls die Umkehrung der traditionell konfuzianischen Gesellschaftsordnung
hervor, und impliziert die niedrige Position von konfuzianischen Gelehrten. Ihnen untergeordnet waren lediglich Prostituierte, Bettler und Sklaven. Die ungleiche Rechtsstellung der Bevölkerungsklassen dokumentieren sehr anschaulich die Gesetze, Verordnungen und Rechtsfälle von juristischen Kompilationen wie den yuan dian-zhang 元典章.