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Jurchen in China

27. Mai 2021
Die Jurchen waren ein nomadisch geprägtes, tungusisches Volk, das aus der östlichen Mandschurei stammte. Sie herrschten von 1115 - 1234 n. Chr. über Nordchina und begründeten die Jin 金-Dynastie. Sie waren die Vorfahren der späteren Mandschu - den Begründern der Qing-Dynastie. 

Mit der Etablierung der Jin–Dynastie (1115-1234) veränderte sich das Selbstverständnis der Jurchen. Diese waren zuvor ein egalitärer Stammesverband ohne Namen und Führer. Entscheidungen trafen sie in Form von gemeinschaftlichen Beratungen. So heißt es bei Tao Zongyi 陶宗仪 (1329-1410): 

„Es gab keinen Unterschied zwischen hohen und niedrigen Rängen. Bei wichtigen Staatsangelegenheiten begaben sich alle auf das freie Land, setzten sich in einem Kreis nieder und berieten, indem sie Linien in Asche zogen.“

Mit ihrer Herrschaft über das chinesische Reich urbanisierte sich die durch den Nomadismus geprägte Gesellschaft der Jurchen und innerhalb Chinas entstanden vier Hauptstädte. Verwaltungstechnisch übernahmen die Fremdherrscher die Systematik der Song 宋-Dynastie. Auf diese Weise wurde die ursprüngliche Stammesorganisation, nach dem Vorbild der Song, in eine bürokratische verwandelt. Ihre Versammlungen wurden durch klassische sechs Ministerien ersetzt. Diese Ministerien standen den unterschiedlichen Ebenen der Provinzverwaltungen vor. Beamte des Staates wurden einerseits durch staatliche Prüfungen rekrutiert. Dies implizierte, dass sie der chinesischen Schrift mächtig waren. Andererseits wurden Jurchen in der Besetzung von Beamtenpositionen durch das Erbrecht privilegiert behandelt. Am Kaiserhof des Jin-Reiches dominierte die chinesische Sprache, und den historischen konfuzianischen Klassikern Chinas wurde vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Daher gelten die Gelehrten der Jin 金-Dynastie als „Erben von der Literatur der Nördlichen Song“. Zu den beliebtesten Literaten aus der Zeit der Nördlichen Song-Dynastie zählten Su Dongpo 苏东坡, Sima Guang 司马光, Ouyang Xiu 欧阳修 und Huang Tingjian 黄庭坚. Aufgrund der Popularität der chinesischen Literatur, entstand zur Zeit der Jin-Dynastie ein Aufblühen der umgangssprachlichen Volks- und Unterhaltungsliteratur. Diese Unterhaltungsliteratur zielte auf dezidiert urbanes Publikum ab. Resümierend verstand sich die Bevölkerung des Jin-Reiches als Bewahrer einer »ursprünglich« chinesischen Tradition und somit als rechtmäßige Nachfolger der Song-Dynastie. In dieser Hinsicht wird das Identitätsproblem deutlich, mit dem sich die Jurchen konfrontiert sahen. Chinesische Beraten beklagten den Untergang des Jin-Reiches als Ende der chinesischen Kultur.

Bezüglich der Religion führten die Jurchen eine offene Handhabung. Der Buddhismus und der Daoismus waren während der Jin-Dynastie stark verbreitet und es wurden Tempel in chinesischem Stil errichtet. Die Lehre des Quanzhen-Daoismus (全真道Vollkommene Wirklichkeit) entsprach dem Geist jener Zeit. Unter der Lehre des Quanzhen-Daoismus vereinen sich Buddhismus, Konfuzianismus und Daoismus. Eines der Ziele dieser Lehre ist die Selbstkultivierung. 


Quellen:
FRANKE, Herbert 1994: The Jin-Dynasty. In: Cambridge History of China. S. 215-320
Pei feng yang sha lu, in Shuo fu, hrsg. Tao Zongyi (Taipei 1963), 25, p. 25b
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